Sieben Berge sind nun mal keine sieben Zwerge

Jan Ullrich nennt sie die Tour malade – die kranke Tour. Na, ein bisschen recht hat er schon. Aber wenn man sich wettermäßig den besten Tag des Jahres raussucht und durch solch wunderschöne Landschaften fährt heilt alles sehr schnell. Kandel, Notschrei, Hochblauen, Kreuzweg (Sirnitz), Wiedener Eck, Feldberg, Thurner – einiges ist mir schon aus vorrangegangen Touren bekannt, anderes (wie meinen Hausberg, den Kandel) kenne ich seit Jahrzehnten. Für mich war klar, dass das Erfolgsrezept darin bestehen würde, nicht zu überdrehen. Mindestens bis Sirnitz ruhig angehen lassen. Das Wiedener Eck ist dann relativ flach, der Feldberg tatsächlich der einzige Anstieg den ich nicht gut kenne (bisher nur ein oder zwei Mal gemacht). Am Kandel ist Tohuwabohu – kein Wunder, denn es sind die Deutschen Meisterschaften im Drachenfliegen. Genauer gesagt die Internationalen (!) Deutschen (!!!) Meisterschaften – das erklärt auch, warum mich einige mit holländischem, österreichischem, gar britischem Nummernschild auf dem Weg nach oben überholt haben. Ich überlassen den Seglern die Lüfte und fliege stattdessen die Abfahrt Richtung Sägendobel runter. Auf dem Weg nach St. Peter nehme ich normalerweise den Abzweig Neuwelt Richtung Platte oder biege kurz vor dem Sägendobel nach links in einen kleinen Weg, der zum Campingplatz führt. Jan Ullrich verweist auf die 1500 Meter auf der L127, die man doch tunlichst auf dem großen Blatt erledigen sollte. Also gut – mit wenig Hoffnung, dass ich es bis oben schaffe – zumal ich wegen bevorrechtigtem Verkehr aus dem Stand losfahren muss – mache ich mich auf. Tatsächlich ist die Steigung so moderat, dass ich das große Blatt gut in Schwung halten kann. Überhole zwei Radler, die sich im kleinen Gang nach oben hieven und fühle mich nicht ganz so gut dabei. Wenn die wüssten, dass ich nur Instruktionen befolge…

Der Anstieg zum Notschrei ist der verkehrsreichste, zumindest bis zum Steinwasenpark. Klar, es ist Feiertag, alle wollen Spaß haben auf der Rodelbahn. Den Notschrei erkenne ich kaum wieder – die Loipenschilder wirken ohne Schnee eben etwas grotesk. Auf der Abfahrt hab ich dann den ersten (und tatsächlich einzigen) Hassanfall des Tages. Hinter mir kein Auto und es fahren zwei Trekkingradfahrer den Berg hinauf. Ich weiche etwas von meiner mittleren Position nach rechts, um den Autofahrern die Gelegenheit zu geben, die beiden mit mehr Abstand zu überholen. Und was macht der erste in der Kolonne? Bleibt komplett in der rechten Spur und überholt mit geschätzten 20 Zentimetern. Ich fuchtele ihn mit dem Arm an, der andere Radler ebenso. Kurze Zeit später macht es mich noch wütender, denn ein dritter Radler, der offensichtlich zu den beiden anderen gehört, steigt gerade wieder aufs Rad, mit einem Gesichtsausdruck, der Genervtheit und auch ein bisschen Angst vereint. Da sind ein paar junge Menschen (ich denke so um die 20), die sich eine tolle Tour vorgenomen hatten und werden dann so bedrängt. Hoffentlich verlieren sie nicht die Lust am Rad fahren – aber die Chancen stehen vermutlich schlecht.

Ich selber habe heute wenig Probleme – trotz des teilweise vielen Feiertagsverkehrs mit einigen Sonntagsfahrenden. Die meisten, die probieren an unmöglichen Stellen zu überholen halte ich durch die Mischung aus mittiger Fahrbahnposition, Schulterblick und notfalls Handzeichen in Schach. Lediglich mit zwei Leuten gibt es etwas Stress – interessanterweise fast an derselben Stelle wie oben. Im Anstieg zum Notschrei will jemand trotz Gegenverkehr überholen. Ich drehe mich um, mache ein Handzeichen, fahre noch weiter nach links. Stört ihn nicht. Er überholt mich zwar nicht dicht, fährt aber komplett im Gegenverkehr. Der, der den Berg gerade runterkommt ist nicht amüsiert und hupt. Und am Ende der Anfahrt, keine fünf Minuten nach dem Erlebnis mit den drei Jugendlichen, überholt mich jemand auf der B317 – obwohl kein Gegenverkehr ist, viel zu dicht. Er hält auf meine Geste hin an, droht mit Polizei und ist irritiert dass ich das eine gute Idee finde. Behauptet, dass der Abstand ausreichend war. Seine Beifahrerin ist genervt und sagt „Allez“. Ich erkläre ihnen auf Französisch, dass hier nicht einfach weggefahren wird. Der Fahrer ist auf einmal sehr freundlich, entschuldigt sich. Ich sag ok, wünsche ihm einen „Bonne Journée!“ und fahre weiter.

Nach dem ich in Utzenfeld am Rathausbrunnen meine Flachen aufgefüllt habe, steht der Anstieg zum Hochblauen an. Von der Seite über Tegernau fahre ich eigentlich nie hoch. Ist aber ein bisschen angenehmer als von Badenweiler aus, da nicht so steil. Außerdem ist Anfahrt übers kleine Wiesental traumhaft schön – dementsprechend sehe ich viele Rennradfahrenden hier. Von der Spitze hat man einen tollen Blick Richtung Markgräflerland, Rheintal und in die Vogesen. Der nächste Anstieg nach Sirnitz ist auf vier Kilometern etwas unangenehm, da die Straße erneuert wird und gerade aufgerissen wird. Ich beneide den einen oder die andere mit Mountain Bike oder Gravelrad. Dafür stelle ich am Kreuzweg fest, dass die Infotafel wieder steht – bei den letzten zwei Mal war es noch am Boden gelegen (Sturm?). Ich fahre ab Richtung Münstertal – die Abfahrt bin ich meines Wissens noch nie runter. Ich muss etliche Pedelecs überholen, bis ich mich dann ans Wiedener Eck machen kann.

Mittlerweile merke ich die angesammelten Höhenmeter. Ich schaffe zwar immer noch einen runden Tritt, aber schnell ist anders. In Utzenfeld fülle ich wieder meine Flaschen auf – am selben Rathausbrunnen, wo ich einige Stunden zuvor war… In Todtnau muss ich dann allerdings eine Tanke ansteuern, denn das Ende der Müsliriegel ist ebenso erreicht wie ich Lust habe, nicht nur Wasser zu trinken. Zwei Powerades nehme ich mit, außerdem eine Mini-Pizza und ein Croissant für ein kurzes Abendessen. Während ich langsam wieder Energie auftanke macht der Garmin schlapp. Trotzdem er die ganze Zeit im Energiesparmodus war sind offensichtlich neun-einhalb Stunden zu viel für den Kleinen. Ich schalte ihn aus und benutze Komoot für den Rest. Der Feldberg ist der letzte heftige Anstieg des Tages. Die ersten sechs Kilometer bis Fahl sind moderat und ich gebe etwas Gas. Danach aber wird es steiler und jetzt ist Essig mit dem runden Tritt. Das erste Mal heute, dass ich mich ein bisschen quälen muss. Endlich oben angekommen verbessert sich meine Laune zunächst nicht, denn ein Schild kündigt Titisee in 20 Kilometern an. Da hatte ich mit weniger gerechnet und merke, dass es schon fast eng wird mit Tageslicht. Sicher, die meiste Zeit geht es bergab, trotzdem denke ich, dass ich eine dreiviertel Stunde brauche.

Erstmal aber erkenne ich die Stelle wieder, als ich auf meinem Ultra-Bike- Reconn Ride die Straße gequert habe. Kurz danach fahre ich durch Bärental, auch hier bin ich mit dem Mountain Bike an oben besagter Fahrt vorbeikommen. Wenn ich diese Abkürzung nur damals schon gekannt hätte… Die Laune wird zunächst durch die tollen Ausblicke besser und dann durch das Schild „Titisee – 3km“. Nach einer halben Stunde bin ich bereits im Touri-Ort Nummer eins. Von Hinterzarten ist die vorgesehenen Strecke zudem nicht die Variante, die ich normal nehme (am Golfplatz rechts und über kleine Wegelchen hoch zur Loipe am Thurner), sondern einfach über die B500. Das ist eigentlich kein richtiger Anstieg mehr – man könnte auch von sechs ein Viertel Bergen reden…Ganz zum Schluss, da es schon spät ist, fahre ich nicht zurück zum Marktplatz in Waldkirch, sondern nur kurz vors Ortsschild. Da fehlen nun zwei, drei Kilometer, aber das ist ok. Schließlich bin ich morgens schon von Denzlingen zum Start gefahren.

Tourdetails:

Länge: 225km (laut Buch 231km)

Höhenmeter: 5222 (laut Buch 5110, laut Strava Route 5276) 

 

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